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Agoraphobie oder Platzangst: Ursachen, Symptome und Behandlung

Die Agoraphobie zählt zu den Angsterkrankungen und bezieht sich auf die Furcht vor Situationen, in denen man meint, keine Hilfe zu erhalten oder nicht flüchten zu können. Typisch ist die Angst vor großen offenen Plätzen, weshalb die Störung auch Platzangst genannt wird und mit hohem Leidensdruck einhergeht.

Agoraphobie Angst - © Canva

Agoraphobie Angst – © Canva

Menschen mit Agoraphobie erleben intensive Furcht oder Angst direkt in Situationen oder auch schon in deren Erwartung, aus denen sie (vermeintlich) nicht flüchten können oder in denen sie zu spät bzw. gar keine Hilfe erhalten können. Die Agoraphobie wird zu den Angststörungen gezählt und ist eng verwandt mit der Panikstörung bzw. mit Panikattacken. Dennoch handelt es sich um eine Diagnose, die sowohl eigenständig als auch in Kombination mit einer Panikstörung auftritt. Der Leidensdruck für Betroffene ist teils enorm, da sie in schweren Fällen das Haus gar nicht mehr verlassen können und für alltägliche Aspekte auf Hilfe angewiesen sind. Die Behandlung fußt zumeist auf Psychotherapie sowie medikamentöser Unterstützung. 

Überblick Agoraphobie

Was ist Agoraphobie?

Die Agoraphobie ist die Angst vor Situationen, in denen Betroffene das Gefühl haben, nicht flüchten zu können. Agoraphobie kann auch die Angst beschreiben, bei einer einsetzenden Panik oder bei peinlichen Umständen (z.B. ungewolltes Wasserlassen) bzw. einschränkenden Symptomen (Hinfallen) keine Hilfe zu erhalten. Typische Situationen, die Agoraphobie-Patient:innen fürchten und daher meiden sind z.B. öffentliche Verkehrsmittel, offene Plätze (wie Brücken oder Marktplätze), geschlossene öffentliche Räume (wie etwa im Theater oder in einem Geschäft), Menschenmengen, Warteschlagen oder generell der Umstand, alleine außer Haus zu gehen.

Da ein typisches Merkmal der Agoraphobie die Furcht vor offenen Plätzen ist, wird sie auch als Platzangst bezeichnet. In der Umgangssprache verwenden Laien den Begriff „Platzangst“ allerdings meist für die Klaustrophobie, also die Angst vor engen Räumen. Bei der Agoraphobie kann es zur Angst bzw. Furcht vor einer Situation nicht nur dann kommen, wenn eine solche unmittelbar bevorsteht, sondern bereits bei der Erwartung der Situation.

Symptome der Agoraphobie

Menschen, die eine Agoraphobie entwickelt haben, sind typischerweise von zumindest zwei der folgenden Symptome betroffen.

Klassisch für diese Symptome der Agoraphobie ist es, dass diese Situationen so gut wie immer Angst- oder Furchtreaktionen auslösen. Dadurch werden sie grundsätzlich vermieden oder nur in Begleitung einer anderen Vertrauensperson durchgestanden. Das Durchleben der entsprechenden Situationen ist nur unter intensiven Angstgefühlen möglich. Die Angst ist dabei unverhältnismäßig und steht in keiner Relation zur tatsächlich vorhandenen Bedrohung. Die Symptome bei der Agoraphobie sind dabei so stark, dass sie einen erheblichen Leidensdruck verursachen und zum Teil den eigenen privaten sowie auch beruflichen Alltag beeinträchtigen. Charakteristisch für Menschen mit Agoraphobie sind Überlegungen, dass etwas Schlimmes passieren wird, wobei eine Flucht nicht möglich oder Hilfe nicht erreichbar ist. Typische Gedanken sind etwa „Mir kann hier niemand helfen“ oder „Ich schaffe es hier nicht raus“.

Diagnose von Agoraphobie

Für die Diagnose der Agoraphobie ist es wesentlich, dass sie in Bezug zu realen Gefahren und soziokulturellen Aspekten gestellt wird.

So kann die Befürchtung, das Haus zu verlassen, sowohl begründet als auch klinisch relevant sein. Die Angst, außer Haus zu gehen, wenn draußen ein heftiger Sturm weht, ist beispielsweise der tatsächlichen Bedrohung angemessen und klinisch nicht relevant. Eine Form von Angst oder Furcht in einem öffentlichen Verkehrsmittel in einer Gegend mit hoher Kriminalitätsrate kann der realen Gefahrenlage entsprechen. Während die Angst, auf einem öffentlichen Platz hinzufallen und zu spät Hilfe zu erhalten, bei einer jungen, gesunden Person klinisch relevant sein könnte, kann die Sorge für einen älteren, gebrechlichen Menschen durchaus mit einer realistischen Einschätzung der Gefahrensituation verbunden sein. Grundsätzlich gilt, dass für die Vergabe der Diagnose einer Agoraphobie nach DSM-5 (Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen) folgende Kriterien erfüllt sein müssen.

Ursachen: Wie kommt es zur Agoraphobie?

Eine Ursache für die Entstehung der Agoraphobie ist der genetische Einfluss. Die Erblichkeit wird bei der Agoraphobie sogar auf über 60 % geschätzt. Im Vergleich zu anderen Phobien ist der Faktor, der die Phobieveranlagung genetisch anzeigt, am stärksten mit der Agoraphobie verknüpft. Zur Agoraphobie kann es allerdings auch aufgrund von Temperamentsfaktoren kommen. Menschen, die beispielsweise in ihrem Verhalten gehemmt sind oder denken, dass Symptome der Angst schädigen (Angstsensitivität), haben ein höheres Risiko für die Entwicklung einer Agoraphobie.

Auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle bei der Entstehung von Agoraphobie. So ist das Risiko dafür bei Menschen erhöht, die etwa in einem Klima von Überbehütung und fehlender Wärme in der Familie aufgewachsen sind. Aber auch belastende Kindheitserfahrungen wie der Tod eines nahen Angehörigen oder Trennungen sowie spätere negative Ereignisse wie ein Raub oder Überfall stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung agoraphobischer Zustände. Zu den Risikofaktoren für eine Agoraphobie zählen demnach:

  1. Temperamentsfaktoren
  2. Umweltfaktoren
  3. Genetische und physiologische Faktoren

Häufigkeit der Agoraphobie

Ein Großteil der Betroffenen entwickelt die Agoraphobie vor dem 35. Lebensjahr. Bei zwei Drittel der Fälle ist der Beginn der Phobie früher zu beobachten. In der späten Adoleszenz bzw. im frühen Erwachsenenalter ist das Risiko für die Entwicklung der Agoraphobie besonders hoch. Nach dem Alter von 40 Jahren wird noch einmal ein erhöhtes Risiko beobachtet. Das mittlere Alter für den Beginn agoraphobischer Symptome liegt zwischen 25 und 29 Jahren. Zumindest dann, wenn Patient:innen davor nicht bereits von einer Panikstörung oder Panikattacke betroffen waren.

Ein Großteil der Betroffenen (zwischen 30 und 50 %) berichtet, dass es vor der Agoraphobie bereits zu Panikattacken gekommen ist oder eine Panikstörung vorgelegen ist. Das mittlere Alter des Beginns einer Agoraphobie von Menschen mit dieser Vorgeschichte ist deutlich jünger, nämlich bei 17 Jahren. Im Durchschnitt weisen jährlich 1,7 % der Jugendlichen und Erwachsenen die Diagnose „Agoraphobie“ auf, wobei Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Auch wenn es deutlich seltener ist: Kinder sowie ältere Menschen über 65 Jahren können ebenso eine Agoraphobie entwickeln.

Wie lange dauert eine Agoraphobie?

Die Agoraphobie ist eine Angsterkrankung, die normalerweise anhaltend und damit chronisch verläuft, sofern sie nicht behandelt wird. Ein vollständiger Rückgang und ein Nachlassen der agoraphobischen Symptome kommen ohne Behandlung mit 10 % der Betroffenen eher selten vor.

Behandlung von Agoraphobie

Die Behandlung von Agoraphobie fußt in vielen Fällen auf zwei Ebenen, nämlich auf jener der Psychotherapie und auf der medikamentösen Behandlung der Angsterkrankung. Möglich ist sowohl eine ausschließlich medikamentöse als auch eine rein psychotherapeutische Therapie. Es kann allerdings auch die Kombination aus beidem angezeigt sein.

Neben der psychotherapeutischen und medikamentösen Behandlung wird Patient:innen mit Agoraphobie auch empfohlen, als ergänzende Maßnahme zur Standardtherapie ein regelmäßiges Ausdauertraining in den Alltag zu integrieren und entsprechende Selbsthilfegruppen aufzusuchen.

Welche spezifischen therapeutischen Maßnahmen ergriffen werden, hängt auch von den ersten Behandlungszielen ab. Die Behandlungsziele können sein:

Psychotherapie bei Agoraphobie

In der Psychotherapie gibt es verschiedene Methoden. In Österreich sind beispielsweise über 20 psychotherapeutische Verfahren anerkannt. Die S3-Leitlinie „Behandlung von Angststörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM) empfiehlt zur Behandlung der Agoraphobie allen voran eine Kognitive Verhaltenstherapie. Dabei handelt es sich um eine Psychotherapieform, die davon ausgeht, dass psychische Probleme insbesondere mit unlogischen, negativen und realitätsfremden Mustern zusammenhängen. Diese führen wiederum dazu, dass Betroffene verallgemeinern, sich einseitig mit Themen beschäftigten oder zu schubladisiertem Denken neigen. In der Kognitiven Verhaltenstherapie geht es unter anderem darum, Probleme durch Selbstbeobachtung zu identifizieren, persönliche Blockaden zu erkunden und alternative Denkmuster sowie Verhaltensweisen zu entwickeln und auszuprobieren.

Wenn eine kognitive Verhaltenstherapie nicht verfügbar ist, nicht den Wünschen der Patient:innen entspricht oder sich als nicht wirksam herausstellt, so empfiehlt die Leitlinie psychodynamische Psychotherapieformen. Unter diesem Sammelbegriff werden etwa im Deutschen Versorgungssystem psychotherapeutische Verfahren zusammengefasst, die sich aus der Psychoanalyse abgeleitet haben. In Österreich zählen zu der Psychodynamischen Orientierung alle Methoden, die sich mit dem Schwerpunkt des Unbewussten sowie mit der Übertragung und Gegenübertragung beschäftigen. Darunter fallen alle psychoanalytischen sowie tiefenpsychologisch fundierten Verfahren. Das sind in Österreich:

Medikamentöse Behandlung von Agoraphobie

Für Patient:innen mit Agoraphobie stehen eine Reihe medikamentöser Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Dazu gehören synthetische Medikamente der Gruppe SSRI, SNRI oder trizyklische Antidepressiva. Diese werden innerhalb der Psychotherapie zur Behandlung in Erwägung gezogen und individuell eingesetzt.

Phytotherapie bei Angsterkrankungen

Aus der jüngeren Forschung ist bekannt, dass dem Medizinischen Lavendel bei der Behandlung spezifischer Angsterkrankungen eine herausragende Bedeutung zukommt. Aus der Arzneipflanze Lavandula angustifolia wird ein angstlösender Wirkstoff namens Silexan® gewonnen. Pflanzliche Anxiolytika sind angstlösende Arzneimittel auf Basis von pflanzlichen Extrakten. Ein solches Anxiolytikum heißt Lasea®. Das Herausragende an diesem Wirkstoff, der seinen Wirkmechanismus sowie die angstlösende Wirkung in zahlreichen Studien belegen konnte, ist, dass er eine vergleichbare Wirksamkeit wie zwei synthetisch hergestellte Medikamente gegen Angst aufweist. Somit lindert Silexan® die durch die Angst entstehenden Symptome wie Unruhe, schwer kontrollierbare Sorgen und Anspannungen ähnlich wie synthetische Präparate. Gleichzeitig verfügt der natürliche Angstlöser über das ausgezeichnete Sicherheitsprofil pflanzlicher Arzneimittel. Vorteile des Arzneilavendelöls sind, dass er untertags nicht müde macht und jederzeit abgesetzt werden kann, da keine Gewöhnungseffekte zu erwarten sind.

Folgen der Agoraphobie

Die Folgen einer Agoraphobie können weitreichend sein, da die entsprechenden Ängste zum Teil erheblich existenzielle Lebensbereiche belasten oder sie in ihrer Funktion gänzlich einschränken. Unbehandelt verstärken die Symptome der Agoraphobie zum Teil auch die soziale Isolation. Agoraphobie kann allerdings auch mit der Verringerung der Arbeitsproduktivität einhergehen oder sogar zu einer gänzlichen Arbeitsunfähigkeit führen. In sehr schweren Fällen kann die Agoraphobie dazu führen, dass Menschen ihre eigenen vier Wände gar nicht mehr verlassen und somit bei Grundbedürfnissen (z. B. Lebensmitteleinkauf) auf andere Menschen angewiesen sind.

Über ein Drittel der Betroffenen ist arbeitsunfähig und vollständig an das eigene Heim gebunden. Es erstaunt dabei wenig, dass die Agoraphobie häufig auch mit anderen psychiatrischen Störungs- und Krankheitsbildern einhergeht. Darunter fallen beispielsweise andere Angststörungen wie die Panikstörung, Spezifische Phobien, Soziale Angststörung oder Generalisierte Angststörung. Diese Angsterkrankungen sind zum Teil bereits vor dem Auftreten der Agoraphobie da. Depressionen oder Alkohol- sowie Substanzmissbrauch als unangemessene Maßnahme zur Selbstbehandlung treten charakteristisch eher als sekundäre Störungen auf.

Was ist der Unterschied zur Aviophobie?

Unter Aviophobie versteht man in der psychologischen Fachsprache die Angst vorm Fliegen, dh. die Flugangst. Die Flugangst ist mit der Klaustrophobie verwandt und kann auch eine Form der Höhenangst sein. Menschen mit Aviophobie quält vor und während eines Fluges häufig auch die Angst vor einem Absturz oder es spielen sich in Gedanken andere Katastrophen-Szenarien ab. Auch wenn der für die Agoraphobie in öffentlichen Verkehrsmitteln typische Gedanke „Ich komm hier nicht raus“ bei der Flugangst ähnlich ist, wird die Aviophobie nicht zur Agoraphobie gezählt. Die Aviophobie wird den Spezifischen Phobien vom Situativen Typ zugeordnet und ist damit z. B. verwandt mit der Angst vor / in Fahrstühlen.

Zusammenfassung Agoraphobie 

Lesen Sie hier die wichtigsten Aspekte zur Agoraphobie noch einmal kurz zusammengefasst.

Agoraphobie Agoraphobie ist die Furcht vor Situationen, in denen Flucht schwierig scheint, z.B. in öffentlichen Verkehrsmitteln oder auf offenen Plätzen.
Symptome der Agoraphobie Angst vor öffentlichen Verkehrsmitteln, offenen Plätzen, geschlossenen öffentlichen Räumen, Menschenmengen, Warteschlangen, dem Verlassen des Hauses alleine.
Ursachen der Agoraphobie Genetische, temperaments- und umweltbedingte Faktoren spielen eine Rolle.
Häufigkeit der Agoraphobie Häufigkeit variiert, Beginn meist vor dem 35. Lebensjahr, Frauen sind öfter betroffen, auch Kinder und Ältere können betroffen sein.
Dauer der Agoraphobie Chronischer Verlauf ohne Behandlung, Rückgang bei Verzicht auf Therapie selten.
Behandlung von Agoraphobie Psychotherapie, medikamentöse Behandlung, Ausdauertraining, Selbsthilfegruppen.
Psychotherapie bei Agoraphobie Kognitive Verhaltenstherapie oder Psychodynamische Psychotherapieformen empfohlen.
Medikamentöse Behandlung SSRI, SNRI und trizyklische Antidepressiva können eingesetzt werden.
Phytotherapie bei Agoraphobie Lavendel-basierter Wirkstoff Silexan® kann Angst lösen und bei Angstsymptomen verwendet werden.
Folgen der Agoraphobie Soziale Isolation, Arbeitsunfähigkeit, Abhängigkeit von anderen, oft begleitet von anderen psychischen Störungen.

Erstellt am: 29.08.2024

Erstellt von: Redaktionsteam Schwabe Austria

 

Quellen:

Diagnostisches und Statistisches Manual Psychischer Störungen DSM-5, Peter Falkai und Hans-Ulrich-Wittchen (Hrsg.), 2. korrigierte Auflage, Göttingen (2018), S. 267-277 sowie S. 295-301 (abgerufen am 29.08.2024)

Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM), S3-Leitlinie Behandlung von Angststörungen (abgerufen am 29.08.2024)

Stiftung Gesundheitswissen, Agoraphobie & Panikstörung (abgerufen am 29.08.2024)

Neurologen und Psychiater im Netz, Psychotherapie: Techniken der Kognitiven Verhaltenstherapie (abgerufen am 29.08.2024)

Michael Ermann und Bruno Waldvogel, Psychodynamische Psychotherapie – Grundlagen und klinische Anwendungen (abgerufen am 29.08.2024) 

Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz, Patientinnen/Patienten-Information über die in Österreich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren (abgerufen am 29.08.2024) 

 

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