Krise: Ein emotionaler Ausnahmezustand
Fehlen dem Menschen in einer belastenden Situation die passenden Strategien, um diese zu bewältigen, kann er in eine Krise schlittern. Ohnmachtsgedanken, Unruhe, Angst und Gefühle von Ausweglosigkeit können sich einstellen und unbearbeitet ernste Folgen nach sich ziehen.
Was ist eine Krise
Was genau nun eine Krise ist, das definieren unterschiedliche Fachgebiete voneinander relativ unabhängig. Eine Krise kann zum Beispiel als Höhepunkt eines Konflikts zwischen zwei oder mehrere Menschen, sozialen Systemen, zwischen zwei Staaten oder auch in einer Person selbst – als innerer Konflikt – bezeichnet werden.
Im politischen Bereich werden Spannungssituationen, bei denen die Gefahr einer bewaffneten Situation droht, als politische Krisen bezeichnet. Auch im Finanzwesen kann es zu Krisen kommen.
An dieser Stelle wollen wir uns allerdings mit einer speziellen Form der Krise beschäftigen. Nämlich der psychischen Krise. Als psychosoziale Krise wird ein seelischer Zustand beschrieben, bei dem eine Person mit einem Ereignis, einem schmerzhaftem Erleben, einem Hindernis, einem inneren Konflikt oder einem überraschenden Erlebnis konfrontiert wird, die es für den betreffenden Mensch zu bewältigen gilt, für die allerdings bisher Problemlösungsstrategien fehlen. Kurz gesagt: Eine innere psychische Krise entsteht dann, wenn ein Mensch vor einer zu bewältigenden (Lebens-)Aufgabe steht, für die ihm Bewältigungs-Strategien (fachlich „Coping-Mechanismen“) fehlen.
Welche Arten der Krise gibt es
Je nachdem, welche Schule man heranzieht, werden Krisen in unterschiedliche Arten eingeteilt. Wir werden uns im Anschluss vorwiegend mit der sogenannten „Akuten Krise“ beschäftigen. Davor seien aber drei Krisenarten im Kurzüberblick genannt:
- Traumatische oder Akute Krise – Von der Akut-Krise bzw. Traumatischen Krise spricht man meist dann, wenn ein Mensch plötzlich in eine für ihn bedrohliche oder schmerzhafte Situation kommt, die er mit seinen aktuellen Strategien nicht bewältigen kann, bzw. die sich für ihn als bedrohlich für die körperliche oder geistige Unversehrtheit darstellt. Häufig ergeben sich solche Akut-Krisen aus erlebten Schicksalsschlägen wie Krankheitsdiagnosen oder dem Tod einer nahestehenden Person. Traumatische Erlebnisse wie Naturkatastrophen, Gewalt, sexueller Missbrauch oder auch Unfälle können ebenso eine Akute Krise auslösen.
- Veränderungskrise – Von einer solchen Lebensveränderungskrise spricht man dann, wenn die innere Krise aufgrund von Entwicklungsschritten oder eben Veränderungen auftritt. Darunter kann der Beginn eines neuen Lebensabschnitts wie der Start des Studiums genau so fallen, wie eine Scheidung, der Eintritt in die Pension oder aber auch ein Umzug, der mit der Aufgabe der vertrauten Umgebung einhergeht. Selbst allgemein als positiv wahrgenommene Veränderungen, wie die Geburt eines Kindes oder eine Hochzeit, können eine Veränderungskrise hervorrufen.
- Protrahierte Krise – „Protrahiert“ ist der Fachbegriff für „verzögert“ oder „verlängert“. Wird ein akut traumatisches Erlebnis verdrängt oder bleibt eine Veränderungskrise unbearbeitet, kann sie sich manifestierten und chronisch werden. Es kann dabei auch sein, dass sich erst Jahre nach einem bestimmten Ereignis Krisensymptome einstellen. Man spricht von der chronisch-protrahierten Krise.
Reaktionen in der Akut-Krise: Wie sich die Krise zeigt
Je nachdem, um welche Form der Krise es sich handelt, zeigt der Mensch unterschiedliche Reaktionsmuster. Wir beleuchten hier die von dem schwedischen Psychiatrie-Professor, Forscher und Psychoanalytiker Johan Cullberg in den 1970er-Jahren beschrieben Reaktionen auf die Akut-Krise. Cullberg definiert den Ablauf von Reaktionen auf eine Akut-Krise wie folgt:
Reaktion | Beschreibung | Was von Betroffenen hier gebraucht wird |
Schock | Im Schock kommt es zu absoluter Ungläubigkeit, nicht Wahrhabenwollen, Verleugnen und teilweise völlig irrationalen Verhaltensweisen. | Vernünftiges Denken und Handeln ist in der Schockphase für Betroffene nicht möglich. Im heftigen Schock dürfen Menschen daher nie alleine gelassen werden. Es muss darauf geachtet werden, dass sich Betroffene in diesem Zustand nicht verletzten. Im Schock wird vor allem Halt durch das Dasein einer ruhigen, präsenten Person benötigt. |
Reaktion | In der Reaktionsphase können eine unglaubliche Vielzahl von Gefühlen aufbrechen: Trauer, Angst, Wut. In dieser Phase werden oft destruktive Bewältigungsmechanismen wie Alkohol oder Drogen probiert, die sich ohne Krisenbewältigung zu einer Abhängigkeit entwickeln können. | In der Reaktionsphase sollten Betroffene Hilfe in Anspruch nehmen und erhalten, da ansonsten sowohl die Gefahr der Fixierung, als auch der Chronifizierung gegeben ist. Wie erwähnt, kann es in dieser Phase als zur Entwicklung einer Sucht kommen und auch Selbstmordgedanken sind in dieser Reaktionsphase immer wieder zu beobachten. Betroffene benötigen daher Menschen, die sie in ihrem Wechselbad der Gefühle annehmen und ihnen beim Verstehen sowie Einordnen helfen. Emotionale Stützen sind in der Reaktionsphase für die Bewältigung oft sehr bedeutsam. |
Bearbeitung | In der Bearbeitungsphase beginnt der Betroffene langsam, die neue Situation oder das Erlebnis zu akzeptieren und die Krise damit zu ver- bzw. bearbeiten. | In der Akut-Krise kann man Betroffene in der Bearbeitungsphase helfen, indem man sie dabei unterstützt, herauszufinden, welche Strategien bisher zur Verfügung standen und was nun gebraucht wird. Das Umfeld sollte sich darüber im Klaren sein, dass die Phasen dabei nicht immer linear ablaufen und sich Krisenbetroffene eine Zeit lang immer wieder zwischen Reaktions- und Bearbeitungsphase bewegen. |
Neuorientierung | In der Phase der Neuorientierung richten sich Menschen neu aus, sie orientieren sich in vielerlei Hinsicht mit den neu gewonnenen oder reaktivierten Strategien in Richtung Zukunft. | Für das Umfeld der Betroffenen ist hier noch einmal wichtig zu betonen, dass sich die Krise-Reaktionsphasen ähnlich wie Trauerphasen nicht nur überlappen, sondern durchaus auch wiederholen können. Geben Sie den Betroffenen daher Zeit. |
Wie Sie eine Krise bemerken : Körperliche und geistige Symptome
Vorweg ist zu sagen: Auch wenn viele Menschen in einer Krise – wie oben genannt – ähnlich reagieren, sind die Symptome, mit denen sich unterschiedliche Krisen äußern genauso individuell, wie es der Mensch selbst ist. Anzeichen bzw. Symptome einer Krise können sich dabei nicht nur auf geistiger Ebene sondern auch auf körperlicher zeigen. Dazu gehören beispielsweise:
- Gefühle von Ausweglosigkeit, Ohnmacht, Hilflosigkeit und Angst
- Ständige innere Anspannung, emotionale Dünnhäutigkeit
- Schlafprobleme, innere Unruhe oder Beschwerden im Magen–Darm-Bereich
- Eingeschränktes Denken, undifferenzierte Bewertung von Menschen und Situationen
- Deutlich verändertes Verhalten im sozialen Umgang oder z.B. beim Essen
- Handlungsoptionen können (noch) nicht gesehen werden
- Probleme, sich zu organisieren oder zu konzentrieren
Warum es so wichtig ist, Krisen zu bewältigen
Wenn eine Krise dauerhaft besteht und nicht bewältigt wird, so kann sie zu einer chronischen Krise führen, die eine Reihe an Gefahren mit sich bringt. So können sowohl anhaltende Schlafstörungen, Angststörungen aber auch Depressionen und damit einhergehende Suizidalität Folgen einer lang andauernden, unbewältigten Krise sein.
Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, warum es bei jeder Form der Krise gilt, sie aktiv zu meistern und als Teil der eigenen Biografie gesund in das eigene Erleben zu integrieren. Und das Beste an einer bewältigten Krise ist: Mit ihrer Bewältigung hat der Mensch eine weitere Problemlösungsstrategie erworben, die ihn für künftig ähnlich gelagerte Situationen mit einem zusätzlich emotionalen Werkzeug ausgerüstet hat. Mit ein Grund, warum in manchen psychologischen Strömungen die innere Krise als wichtiger Entwicklungsprozess angesehen wird.
Wie eine Krise gemeistert wird
Im Fall einer Akut-Krise ist es immer ratsam, sich Hilfe zu holen. Ob diese nun in den offenen, metaphorischen Armen von Familie und Freunden gefunden wird, oder im professionellen Rahmen einer Psychotherapie oder psychologischen Beratung, hängt dabei von der Schwere der Krise ab.
Bei heftigen und vor allem auch akuten inneren sowie äußeren Krisenanlässen, können Sie sich an kostenlose psychosoziale Notfallstellen wenden. Die Kontakte dazu finden Sie weiter unten.
Aber auch in Krisenfällen, die Sie prinzipiell für sich alleine meistern können, ist es möglich, dass Sie Ihren Prozess der Bewältigung der Krise unterstützen. Möglichkeiten dazu sind beispielsweise folgende:
- Beziehung: Beziehen Sie Ihr soziales Umfeld und Menschen, die Ihnen gut tun in Ihre Gedanken mit ein und sprechen mit vertrauensvollen Personen über Ihre Gefühle.
- Zeit: Geben Sie sich Zeit – eine Krise kann die oben erwähnten Phasen durchaus mehrmals und parallel durchlaufen. Verzichten Sie auf zusätzlichen Druck beim Tempo der Bewältigung.
- Pflanzliche Unterstützung: Wenn zu den inneren Auswirkungen der Krise Gefühle wie Unruhe oder Angst hinzukommen, scheuen Sie sich nicht davor, diese Beschwerden mit pflanzlicher Unterstützung zu verringern, um den Kopf für wichtiges frei zu bekommen.
- Entspannungsübungen: Da in der Krise häufig – ähnlich wie bei anhaltendem Stress – eine Art Tunnelblick entsteht, können Entspannungsübungen hilfreich sein, um den Kopf wieder für neue Lösungen und Strategien freizubekommen.
- Bewältigungsmechanismen: Fragen Sie sich, wie Sie ähnliche Situationen bisher gemeistert haben und überlegen neu, wie Sie diese vorhandenen Bewältigungsmechanismen nun einsetzen können.
Wohin Sie sich im Akut-Fall wenden können
In einem akuten psychischen Krisenfall können Sie sich je nach Bundesland an unterschiedliche, kostenlose Not-Stellen wenden. Rund um die Uhr telefonisch erreichbar sind beispielsweise unter den folgenden Nummern:
- Österreichweite Telefonseelsorge: 142 (Notruf)
- Rat auf Draht: 147 (für Kinder, Jugendliche und deren Angehörige)
- Sozialpsychiatrischer Notdienst/PSD Wien: 01/31330
Einen ausführliche Liste an weiteren Nummern und auch kostenlosen Stellen, an die Sie sich wenden können, finden Sie hier.
Bitte denken Sie daran, dass Sie im akuten Krisenfall auch als beobachtende Person jederzeit die Österreichischen Notdienste der Rettung oder Polizei anrufen können.
Quelle:
Dr. Hans Smoliner, Einführung in die Krisenberatung und Krisenbegleitung Teil I, https://www.schulpsychologie.at/schuelerberatung/lehrgang/M5-krisenberatung_I.pdf (zuletzt abgerufen am 07.10.2020)
Hilfe in Krisensituationen: Kriseninterventionszentrum (abgerufen am 20.10.2023)