Angst bewältigen: Strategie für Krisen
In Krisensituationen neigt der Mensch dazu, Ängste zu entwickeln. Das gilt für globale Krisen genauso wie für persönliche Krisen. Doch was ist überhaupt eine Krise? Wie reagiert unsere Psyche auf Krisenzeiten und was ist, wenn die Angst nach der Krise bleibt?
Angst, den Job zu verlieren. Angst, zu erkranken. Angst, einen geliebten Menschen anzustecken. Angst vor einem totalen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Angst, eine potenzielle Erkrankung nicht zu überleben … Man muss nicht zwingend von Angststörungen betroffen gewesen sein, um in Zeiten von Covid 19 – der bisher größten globalen Krise seit Jahrzehnten – Ängste ausgestanden zu haben oder sie noch auszustehen.
Dass Krisensituationen wie der Lockdown psychische Belastungen ansteigen lassen und dass sie vor allem die Symptome von bereits vorhandenen seelischen Erkrankungen wie die generalisierte Angststörung oder auch Depressionen verstärken können, darin sind sich Psychologen einig. Wer nicht mit Angst auf die neue Situation reagiert hat, hat dafür womöglich eine diffuse innere Unruhe wahrnehmen können oder vielleicht in Zeiten der Krise Schlafprobleme entwickelt.
Aber was genau ist eine Krise psychologisch gesehen? Und warum kann sie Auslöser bzw. Verstärker für Ängste und Depressionen sein?
Was ist eine Krise und was hat sie mit Angst zu tun?
Ohne das Wort „Krise“ sind die Medien in den vergangenen Monaten freilich nicht ausgekommen. Und auch, wenn es zahlreiche ausführliche sowie unterschiedliche Definitionen dafür gibt, WAS genau nun eine Krise ausmacht, so beschränken wir uns hier auf die psychodynamische Sicht der Krise. Emotional spricht man davon, dass ein Mensch in eine Krise gerät, wenn er für ein vorhandenes Problem keine „Coping“-Strategien – also Bewältigungsstrategien – zur Verfügung hat.
Das ist auch der Grund, weshalb manche Menschen eine innerliche Krise entwickeln und erstarren, während andere, die vor einem ähnlichen Problem stehen, auf bereits entwickelte Bewältigungsstrategien zurück greifen und einen kühlen Kopf bewahren können. Fehlen dem Menschen diese Strategien zur Überwindung eines Problems, steht er vor einer ungewissen Zukunft. Was, wenn es nie zu einer Lösung kommt? Ungewissheit und das Gefühl, keine Struktur mehr zu haben, kann in Menschen ein Ohnmachtsgefühl auslösen, das wiederum Angst machen kann.
Man könnte sagen, dass für die Corona-Krise globale „Bewältigungsstrategien“ eingesetzt werden mussten, die für die meisten von uns eine große Unbekannte bedeutet haben. Wer nicht genau weiß, wie es weiter geht, kann vor dieser ungewissen Zukunft große Ängste entwickeln.
Welche Formen der Krise gibt es?
Krise ist übriges nicht gleich Krise. Es gibt unterschiedliche Krisenformen, die je nach psychologischer Strömung wie folgt eingeteilt werden können:
Akute traumatische Krise | Eine akute Krise tritt – wie der Name schon sagt – plötzlich auf. Sei es beispielsweise durch ein unerwartetes Ereignis, einen Schicksalsschlag oder eine traumatische Erfahrung. |
Veränderungskrise | Wenn sich die eigene Lebenssituation deutlich verändert, kann dies in Menschen durchaus auch ein Krisenerleben auslösen. Die Pubertät kann beispielsweise als Veränderungskrise erlebt werden, aber auch Menschen, denen ein Jobverlust und damit eine berufliche Änderung droht, erleben gelegentlich Veränderungskrisen. Scheidungen etc. können ebenso Auslöser dafür sein. |
Chronisch-protrahierte Krise | Ein Fachausdruck für „verzögerte Krise“ – davon spricht man, wenn ein traumatisches Ereignis bereits (lang) zurück liegt und sich die Krisensymptome verzögert zeigen. Wird eine solche Krise nicht bearbeitet, kann sie chronisch werden. Man spricht auch von einer chronischen Krise. |
Posttraumatische Belastungsstörung | Eine Posttraumatische Belastungsstörung ist eine behandlungsbedürftige Reaktion auf ein traumatisches Ereignis oder kann als Folge einer durchlebten Krise auftreten. |
Wodurch eine Krise beeinflusst wird
Es gibt unterschiedliche Faktoren, die mit dafür verantwortlich sind, wie lange eine Krise bei einem Menschen anhält bzw. ob sie überhaupt als solche entsteht. Folgende Punkte können für das Entstehen und Anhalten einer Krise unter anderem relevant sein:
- Wie intensiv, wie lang andauernd oder wie häufig das belastende bzw. traumatische Ereignis ist, kann ausschlaggebend sein für die Intensität und Dauer der Krise.
- Welche Bewältigungsstrategien der Mensch mit sich bringt und wie hoch seine eigene Vulnerabilität (der Fachbegriff für „Verletzlichkeit“) ist, beeinflusst seine Krisenanfälligkeit.
- Welche Bedeutung das Umfeld dem Ereignis gibt, kann maßgeblich für das Krisenerleben eines Menschen sein.
Was das Umfeld aus der Krise macht: Wie sich Medien auf die Bewältigung der Ängste auswirken
Welche Bedeutung das Umfeld der betroffenen Person einer Krisensituation bzw. dem Auslöser gibt, kann Einfluss darauf haben, wie der Betroffene das Ereignis empfindet. Reagiert das Umfeld beispielsweise mit enormer und teils übertriebener Bestürzung auf ein belastendes Ereignis, kann dies psychisch genauso belastend sein, wie ein Herunterspielen von Erlebtem. Der Grat ist hier schmal. Wir wollen an dieser Stelle im Besondern auf den Umgang der Medien mit Krisen eingehen.
Denn sie haben einen zentralen Einfluss darauf, wie Menschen mit krisenhaften Situationen umgehen, wie zahlreiche Untersuchungen zum sogenannten „Werther Effekt“ zeigen. Von diesem Effekt spricht man, wenn von Suizid-Nachahmern die Rede ist. Wie Medien mit dem Thema Suizid umgehen, spielt eine wichtige Rolle. Denn man bemerkt, dass sich die Suizidrate erhöht, wenn vermehrt über Selbsttötungen berichtet wird. Hingegen können Berichte über erfolgreiche Bewältigungen einer suizidalen Krise wiederum dabei helfen, Selbsttötungen zu verhindern. In diesem Fall spricht man vom sogenannten „Papageno Effekt“.
Beide Effekte machen deutlich, welchen zentralen Stellenwert die Medien haben, wenn es darum geht, was durch sie in der Psyche von Menschen ausgelöst werden kann. Denken wir an das wochen- und monatelang die Medien dominierende Wort „Krise“ in Zeiten der Covid-Pandemie, lässt sich bereits erahnen, wie viel Einfluss Zeitung, Fernsehnachrichten und Co. auf das Krisenerleben der Bevölkerung haben.
Die Psychologie der Angst in Krisenzeiten – wie der Mensch in einer Krise reagiert
Wie bereits oben erwähnt, können die Unklarheit darüber, wie es weitergeht, sowie der Wegfall bekannter Strukturen in der Krise bei Menschen Angst auslösen. Sie ist Teil der psychischen Reaktionen auf eine Krise. Zu den Reaktionen auf eine Krise gehören:
- Der Mensch erlebt Ängste und bisweilen sogar Panik.
- Kampf, Flucht oder Starre können auftreten.
- Es kann zum Gefühl der Ausweglosigkeit und Hilflosigkeit kommen.
- Eine Übererregung ist beobachtbar (Erzählungen sind in der akuten Schocksituation oft nicht stringent).
- Es können sogenannte Flashbacks erlebt werden.
- Eine unbearbeitete Krise kann chronisch werden und zu anhaltenden Depressionen führen.
Tipps: Angst bewältigen, wenn sie nach der Krise anhält
Wenn Sie zunehmende Unruhe, schwer zu kontrollierende Sorgen und daraus resultierende Verspannungen bemerken, ist es wichtig, dass Sie etwas dagegen unternehmen. Glücklicherweise gibt es mittlerweile auch bei Angstsymptomen effektive pflanzliche Hilfe aus der Natur, mit der Sie einer drohenden Angststörung auf natürliche Weise entgegenwirken können. Zusätzlich können folgende Tipps hilfreich sein, um die Angst und die Krise zu bewältigen.
Struktur schaffen | Auch wenn das Leben während und nach der Krise anders aussehen mag als davor, ist es wichtig, dass Sie sich (neue) Strukturen schaffen. Für viele Menschen ist es wichtig, sich an einem Tagesplan zu orientieren, wenn ansonsten die Zukunftsorientierung im Moment schwierig ist. Nehmen Sie Strukturen wichtig und gestalten sich neue Pläne, an die Sie sich halten. |
Soziale Kontakte | Isolation kann vorhandene Ängste noch weiter verstärken. Umgeben Sie sich mit Menschen, die Ihnen gut tun und besprechen sie auch Ihre Ängste mit Vertrauenspersonen. Ob im persönlichen Kontakt, am Telefon oder via Videochat: Denn das Aussprechen von Ängsten kann bereits einen Teil dazu beitragen, dass sie als weniger bedrohlich empfunden werden. |
Sicherheit schaffen | Sich selbst Sicherheit zu schaffen, zumindest im inneren Erleben, kann hilfreich sein. Erinnern Sie sich hierfür bewusst an Ihre Fähigkeiten, Stärken und Ressourcen. |
Stress reduzieren | Innerer und äußerer Stress kann rasch zu einem Zustand von Dauerspannung führen und damit Ängste wiederum begünstigen. Stress zu reduzieren, kann in der Krise und danach wichtig sein. Aber Achtung: Ohne Aufgaben und Struktur kann dies wieder ins Gegenteil verkehrt werden. Versuchen Sie eine Balance aus für Sie sinnvollen Aufgaben und Entspannungsmomenten zu finden. Mehr dazu im nächsten Punkt. |
Erholung finden | Dem Körper sowie dem Geist echte Erholung zu ermöglichen, ist ein wichtiger Faktor, wenn es um den Umgang mit Spannungen, Unruhe und Ängsten geht. Bestimmte Entspannungsübungen können hier hilfreich sein. Zur ausreichenden Erholung gehört übrigens auch ein gesunder Schlaf. Was Sie gegen Schlafprobleme tun können, lesen Sie hier. |
Entlastung suchen | Wenn Sie bemerken, dass Sie Ihre Angst konstant weiter begleitet, ist es ratsam, bald einen Arzt aufzusuchen, der Sie bei Ängsten auf vielfältige Weise unterstützen kann. Auch das Gespräch mit Psychotherapeuten oder Beratern kann hilfreich sein und Entlastung bieten. |
Krise als Chance – Wenn Sie die Krise und die Angst bewältigt haben
Die gute Nachricht ist: Jede Krise kann auch als Chance wahrgenommen werden. Denn mit jeder bewältigten Krise hat der Mensch eine neue Bewältigungsstrategie für sich entwickelt. Und damit sind Sie für das nächste ähnlich gelagerte Problem neu gewappnet – so dass Sie vielleicht gar keine innere Krise mehr entwickeln. Wer seine Sorgen und Ängste ernst nimmt, aktiv etwas gegen Sie unternimmt und seine Ängste in der Krise bewältigt, kann also gestärkt aus der Krise herausgehen.
Exkurs: Corona-Krise – welche Folgen die Pandemie mit sich bringt
Welche Folgen die Angst der Menschen in der Corona-Krise langfristig haben wird, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Fragen, die sich dazu aber bereits jetzt stellen, lauten beispielsweise:
- Wie wird sich die physische Distanz auf unser kollektives Nähebedürfnis auswirken?
- Welche neuen kollektiven Gesundheitsängste werden nachhaltig vorhanden sein?
- Mit welchen Folgen haben Familien zu kämpfen, die auf engstem Raum miteinander für Wochen leben und bestimmte Dynamiken neu aushandeln mussten?
- Wie viele Existenzängste werden nachhaltig bleiben?
- Welche psychischen Belastungen – wie die Einsamkeit in der Isolation – bleiben auch nach den Lockerungen der Maßnahmen innerlich bestehen?
- Wie wird sich die Wirtschaft von dem Lockdown erholen?
- Welche persönlichen wirtschaftlichen Auswirkungen bedeutet das für Familien?
Quellen:
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111097/Viele-psychische-Krankheiten-koennen-durch-die-Pandemie-forciert-werden (abgerufen am 28.07.2020)
https://www.meduniwien.ac.at/hp/fileadmin/sozialmedizin/publikationen/R-Niederkrotenthaler_NEURO_final.pdf (abgerufen am 28.07.2020)