Wer an Pflanzenheilkunde denkt, der hat oftmals das Bild von privaten Kräutergärten älterer Frauen im Kopf. Doch dieses Image hat mit der modernen, evidenzbasierten Phytotherapie nichts zu tun. Pflanzenmedikamente sind hochwirksame Therapeutika.
Wenn Arzneimittel aus Pflanzen bzw. Teilen von Pflanzen hergestellt werden, spricht man von Phytotherapeutika. Diese grenzen sich klar von homöopathischen Arzneimitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln ab.
Dabei haben sowohl das eine als auch das andere nichts mit einander zu tun. Denn trotz des pflanzlichen Wirkstoffs aus der Natur handelt es sich bei der Phytotherapie um eine klassische medizinische Methode und um teilweise sogar rezeptpflichtige Medikamente. Pflanzliche Arzneimittel erfreuen sich heute zunehmender Beliebtheit. Nach vielen Jahren, in denen die Chemie auch bei minder schweren Erkrankungen die Vorherrschaft inne hatte, besinnen sich viele Menschen wieder auf die Wurzeln der Medizin.
Damit Sie ein klares Bild von der Phytotherapie bekommen und Ihnen die Unterscheidung zu anderen Therapieformen letztlich spielerisch gelingt, haben wir hier für Sie einen umfassenden Überblick über die Vielfalt der modernen Pflanzentherapie erstellt.
Laut WHO Definition sind Phytopharmaka Arzneimittel, „deren wirksame Bestandteile ausschließlich aus pflanzlichem Material bestehen, wie beispielsweise Pflanzenpulver, Pflanzensekrete, ätherische Öle oder Pflanzenextrakte.“
Eine weitere heute gängige Definition beschreibt Phytotherapie als eine Methode:
Unter Phytotherapie versteht man also die Pflanzenheilkunde, bei der nachweislich wirksame Medikamente aus Pflanzenextrakten hergestellt werden. Diese sind meist standardisiert und unterliegen in Österreich dem strengen Arzneimittelgesetz. Daher müssen sie wie alle chemisch synthetischen Medikamente auch zugelassen bzw. registriert werden. Mehr dazu lesen Sie unter dem Punkt Zulassung.
Das Arzneimittelgesetz sorgt dafür, dass wichtige medizinische Richtlinien erfüllt sind. Das bedeutet auch, dass die Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz) ein essenzielles Thema in der Phytotherapie ist, da pflanzliche Wirkstoffe chemisch hergestellten in ihrer Wirkung um nichts nachstehen. Daher ist die Phytotherapie nicht, wie vielfach angenommen, ein alternatives Heilkonzept. Sie wird der naturwissenschaftlich basierten Medizin, zugerechnet.
Die Anwendungsgebiete der Phytotherapie umfassen sowohl akute wie auch chronische Erkrankungen und so haben pflanzliche Medikamente auch ein ähnliches Risikoprofil wie klassische Arzneimittel. Sie verfügen jedoch über den Vorteil, dass sie im Allgemeinen deutlich besser vertragen werden. Einige Phytotherapeutika sind übrigens nur auf Rezept erhältlich. Dazu gehört in Österreich beispielsweise ein pflanzliches Arzneimittel, das erfolgreich bei Demenz eingesetzt wird.
Aber sehen wir uns die Wirkung der pflanzlichen Inhaltsstoffen in Medikamenten noch einmal genauer an. Pflanzen enthalten sogenannte Vielstoffgemische. Die Wirkung von Heilpflanzen beruht also nicht auf einer einzelnen Substanz, sondern entfaltet sich durch das Zusammenspiel vieler Inhaltsstoffe. Pflanzen enthalten also eine Vielzahl an Substanzen. Genauso verhält es sich folglich mit den aus ihnen hergestellten Phytotherapeutika.
Damit deren Wirkung auch garantiert werden kann, wird in der Herstellung darauf geachtet, dass in jeder Arzneidosis die gleiche Menge an wirksamkeitsbestimmenden Substanzen enthalten ist. Sehen wir uns das an dem Beispiel des Ginkgo Spezialextrakt EGb 761® an, der unter anderem in Ceremin® 40mg-Filmtabletten* enthalten ist:
Damit diese Stoffe ihre volle heilende Wirkung entfalten können, erfordert ihre Produktion ein besonderes Maß an Qualität – vom Anbau und Ursprung der Pflanze bis hin zur hochmodernen Verarbeitung. Wie genau die Produktion der Phytotherapie am Standort Wien aussieht, können Sie hier nachlesen.
Phytotherapeutika sind in der Regel sehr gut verträglich. Dass die pflanzlichen Arzneimittel stark in ihrer Wirkung und dabei trotzdem besonders sicher sind, dafür sorgt bei Schwabe eines der umfassendsten internationalen Forschungskonzepte in der Phytotherapie. Denn trotz ihrer guten Verträglichkeit können Phytotherapeutika Wechsel- oder Nebenwirkungen haben.
Johanniskraut kann zum Beispiel unter Umständen die Wirkung einiger Medikamente, wie etwa Verhütungsmittel, herabsetzen. Und bei Menschen mit heller Haut kann Johanniskraut die Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht erhöhen. Die Einnahme von pflanzlichen Arzneimitteln sollte daher immer dem behandelnden Arzt mitgeteilt werden.
Als globaler Experte für pflanzliche Arzneimittel wissen wir um den Stellenwert unserer Investitionen in Sicherheit und Extraktqualität. Doch was genau bedeutet Qualität in diesem Zusammenhang?
Strenge Kontrollen durchführen |
Durch laufende Qualitätskontrollen der Ausgangsmaterialien aber auch des Endprodukts sichern wir die erstklassige Güte unserer Arzneimittel. |
Verschiedene Faktoren betrachten |
Die Qualität von pflanzlichen Arzneimitteln ist von vielen Faktoren abhängig. Das beginnt bereits bei der Auswahl des Saatguts. Aber auch Umweltbedingungen wie Bodenbeschaffenheit, Klima oder Standort sowie Schädlinge und Maßnahmen zur Schädlingsbekämpfung beeinflussen die Qualität der Pflanze und damit des Extraktes. |
Passende Verfahren wählen |
Von großer Bedeutung ist selbstverständlich auch der weitere Weg der Pflanze bis zum fertigen Arzneimittel. Die wirkungsbestimmenden Substanzen sind in den unterschiedlichen Pflanzenteilen (Wurzeln, Blätter, Blüten, Beeren) oft in unterschiedlicher Konzentration enthalten. Daher hängt die Güte des Arzneimittels auch von der richtigen Auswahl der verwendeten Pflanzenteile ab. Aber auch die Art des Extraktionsmittels und des Extraktionsverfahrens, mit dem die Wirkstoffe aus der Pflanze gelöst werden, beeinflussen die Qualität. |
Die Phytotherapie ist ein ganz eigenes medizinisch-therapeutisches Gebiet, das immer mehr Bedeutung in der modernen Medizin gewinnt. Dennoch wird die Pflanzenheilkunde der modernen Therapie oft mit anderen Methoden verwechselt. Hier finden Sie daher die wichtigsten Abgrenzungen:
Phytotherapie vs. synthetisch-chemische Arzneimittel |
Wird ein einzelner Wirkstoff aus pflanzlichem Material isoliert, so handelt es sich nicht um ein Phytopharmakon, sondern um ein chemisch-synthetisches Arzneimittel. So ist Atropin, das früher unter anderem zur Erweiterung der Pupillen bei Augenuntersuchungen eingesetzt wurde, ein „normales“ synthetisches Arzneimittel. Synthetisch-chemische Arzneimittel enthalten außerdem meist nur einen oder wenige Wirkstoffe. In Phytotherapeutika sind hingegen, wie bereits erwähnt, eine Vielzahl von Substanzen enthalten, die meist erst in ihrer Kombination die gewünschte Wirkung entfalten. |
Phytotherapie vs. Komplementärmedizinische Therapieformen |
Homöopathische Arzneimittel, Bachblüten, anthroposophische Arzneimittel und dergleichen zählen ebenfalls nicht zu den Phytopharmaka, auch wenn diese oft aus Pflanzen oder Pflanzenteilen hergestellt werden. Sie haben ein anderes Wirkprinzip. Außerdem kommen beispielsweise in der Homöopathie auch tierische und mineralische Ausgangsstoffe zur Anwendung. Mehr zur Unterscheidung zwischen Phytotherapie und Homöopathie lesen Sie hier. |
Phytotherapie vs. Nahrungsergänzungsmittel |
Nahrungsergänzungsmittel dienen ausschließlich der Ergänzung der normalen Ernährung und keinesfalls der Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten und sonstigen körperlichen oder seelischen Beschwerden. Sie sind daher auch dann nicht zu den Phytopharmaka zu zählen, wenn sie ausschließlich pflanzliche Extrakte enthalten. Hier ist außerdem Vorsicht geboten. Nahrungsergänzungsmittel unterliegen nicht den strengen Zulassungskriterien und Kontrollmechanismen von Arzneimitteln, denn sie unterliegen nicht dem Arzneimittelgesetz sondern dem Lebensmittelgesetz. Die Menge der wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe kann durchaus von Charge zu Charge variieren. Außerdem sind hier meist geringere Wirkstoffmengen enthalten als in zugelassenen Arzneimitteln. |
Wichtige Voraussetzung für die Zulassung ist in jedem Fall eine detaillierte Dokumentation der Qualität, Wirksamkeit und Sicherheit. Die Qualität wird durch festgelegte Herstellprozesse und laufende chemische Analysen des Ausgangsmaterials aber auch des Endprodukts sichergestellt. Für die Zulassung pflanzlicher Arzneimittel gibt es mehrere Möglichkeiten:
Laut österreichischem Arzneimittelgesetz müssen sogenannte „traditionelle pflanzliche Arzneispezialitäten“
Das ist übrigens auch damit gemeint, wenn Sie auf der Packung „beruht auf langjähriger Verwendung“ lesen. Dieser Satz wird gelegentlich von Patienten so missinterpretiert, dass sie das Medikament langjährig einnehmen müssten, bis es Wirkung zeigt.
Dabei beschreibt dieser Hinweis hier viel eher, dass der Wirkstoff bereits Jahrzehnte lang erfolgreich bei einer Beschwerde eingesetzt wird.
Nur wenn die
ausreichend belegt sind, erhalten Medikamente eine Registrierung als „traditionelle pflanzliche Arzneispezialitäten“.
Werden klinische Studiendaten zusammen mit den Unterlagen zur Herstellung und Qualität zur Begutachtung eingereicht, können pflanzliche Arzneimittel auch als „well established“ (Anm.: bewährt, fest etabliert) zugelassen werden.
Die Ergebnisse der Studien müssen publiziert sein, nicht aber vom Antragsteller durchgeführt bzw. beauftragt worden sein. Allerdings muss das Arzneimittel seit mindestens 10 Jahren in der EU verwendet werden und seine Wirksamkeit und Sicherheit anerkannt sein.
Solche Arzneimittel erhalten dann die Zulassung für jene Indikation(en), die im Rahmen der klinischen Studien geprüft und erfolgreich behandelt wurde(n). Diese sind meist sehr spezifisch, da aufgrund der enormen Kosten solcher Studien nicht alle möglichen Beschwerdebilder geprüft werden können.
Für eine Vollzulassung werden neben den oben beschriebenen Dokumentationen auch umfangreiche Daten zur klinischen und nichtklinischen Forschung verlangt:
Die Phytotherapie gehört heute also zu einem nicht mehr wegzudenkendem Bereich der modernen Medizin. Der Begriff der Phytotherapie an sich wurde dabei erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch den Arzt Henri Leclerc geprägt. Er beschrieb „die Wissenschaft von der Anwendung pflanzlicher Heilmittel bei kranken Menschen“.
Doch die Geschichte der Phytotherapie geht deutlich weiter zurück als bis zu Henri Leclerc. Denn die Pflanzenheilkunde ist eine der ältesten medizinischen Therapieformen. Das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen erstreckte sich bereits in der Antike über alle Kontinente und Kulturen. Egal ob Griechen, Römer, Araber, Ägypter, Inder oder Chinesen, sie alle hatten ihren speziellen Schatz an Heilkräutern.
Eines der ältesten heute bekannten medizinischen Werke Europas ist die Materia medica des griechischen Arztes Dioskurides aus dem 1. Jahrhundert. Darin beschreibt er überwiegend pflanzliche, aber auch mineralische und tierische Heilmittel.
Die Materia medica war das wichtigste antike Werk für die Klostermedizin, die 527 mit der Gründung des ersten Klosters auf dem Monte Cassino ihren Anfang nahm:
Doch auch außerhalb der Klostermauern sammelte man heilendes Wissen. Die sogenannte Volksmedizin kannte die positive Wirkung unterschiedlicher Heilpflanzen ebenfalls. Dieses Wissen zu Heilmethoden und Heilmittel wurde von Generation zu Generation weitergegeben.
Im späteren Mittelalter wurden dann die ersten medizinischen Universitäten gegründet. Die Erkenntnisse aus den Klöstern und aus der Volksmedizin flossen in die neuen Lehren ein. Dass die Wirkstoffmenge das Maß aller Dinge ist erkannte jedoch erst Paracelsus (1493-1541). Er sagte: „Alle Dinge sind Gift und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“
Erst ab dem 19. Jahrhundert erlaubten neue wissenschaftliche Methoden eine genauere Erforschung von Heilpflanzen und ihren vielfältigen Wirkstoffen. So konnte man einzelne Inhaltsstoffe isolieren wie etwa Atropin, das die Tollkirsche liefert, oder Digitoxin aus dem roten Fingerhut. Man konnte nun die Menge, die eingenommen werden sollte, genau bestimmen und sie in Salben, Tabletten oder Tropfen „verpacken“.
* Ceremin®-Tabletten:
Tabletten zum Einnehmen. Über Wirkung und mögliche unerwünschte Wirkungen informieren Gebrauchsinformation, Arzt oder Apotheker.