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ASMR (Autonomous Sensory Meridian Response)

Sie streichen mit Pinsel über Mikrophone, flüstern, streichen mit ihren Fingern über Buchrücken oder klopfen mit den Nägeln auf den Tisch. Und sie verdienen damit gutes Geld. Die Rede ist von YouTubern, die sich auf Videos mit speziellen Geräuschen spezialisiert haben. ASMR heißt der aktuelle und stetig zunehmende Trend. Dabei handelt es sich um ein als entspannendes und als beruhigend erlebtes Gefühl, das als Kribbeln beschrieben wird, und durch bestimmte Reize ausgelöst werden kann.

ASMR im Überblick

 Auf diese Fragen gehen wir im folgenden Artikel ausführlich ein:

ASMR Autonomous Sensory Meridian Response - @ AnnaStills/stock.adobe.com

ASMR: Faszination an Geräuschen – © AnnaStills/stock.adobe.com

Was genau ist ASMR?

Unter dem Begriff versteht man eine sensorische Meridianreaktion, die von Menschen, die sie erleben, als Kribbeln beschrieben wird, das vom Kopf ausgeht. Dieser Effekt wird „Tingles“ genannt. Er kann zum Beispiel durch wohlige Bilder oder auch durch als angenehm empfundene Geräusche hervorgerufen werden. Diese Reize werden als „Trigger“ bezeichnet.

Wie gefährlich ist ASMR?

ASMR gilt nicht als gefährlich. Es werden lediglich nicht alle Geräusche von allen Menschen als gleich angenehm erlebt. Es kann also passieren, dass man sich beim Anhören von ASMR-Videos unbehaglich fühlt oder die Töne als unangenehm erlebt. Ein Risiko geht davon allerdings nicht aus.

Was ist so toll an ASMR?

Menschen, die Tingles erleben, beschreiben ASMR als einen wohligen und angenehmen Zustand, der sie in Entspannung versetzen oder ihnen beim Einschlafen helfen kann. Fans von ASMR finden also den erholsamen Faktor daran toll. Einige Nutzende beschreiben sogar, dass ihnen ASMR hilft, mit Angst besser umzugehen.

Warum heißt ASMR ASMR?

Seit dem Jahr 2010 kennt man den Begriff. ASMR heißt ASMR, weil es sich bei dieser Abkürzung um die Anfangsbuchstaben der entsprechenden Reaktion auf Englisch handelt: Autonomous Sensory Meridian Response. Auf Deutsch lässt sich der Begriff mit Autonome sensorische Meridianreaktion übersetzen.

Wie ist ASMR entstanden?

Erinnern Sie sich noch an Bob Ross, der in den 1980er-Jahren in seiner Fernsehsendung malte und dabei mit ausnehmend beruhigender Stimme erklärte, was er da tat? Einige Menschen beschreiben, dass seine beruhigende Stimmung die erste Erfahrung mit dem angenehmen Kribbeln war, das heute ASMR genannt wird. Aber erst um das Jahr 2012 hat sich online eine Community gebildet, die auf YouTube reihenweise Videos mit entsprechenden Triggern online gestellt hat.

Dabei wurden Geräusche, wie beispielsweise Flüstern, das Zerreißen von Papier oder das Streichen mit Fingern über Haarbürsten zum Teil über hochfrequente Mikros aufgenommen, die solche Trigger noch intensiver werden ließen. Nachdem im Jahr 2018 einige Prominente ebenso ASMR-Sounds aufgenommen hatten, erreichte das Phänomen große Bekanntheit. Später sprang auch die Werbeindustrie auf den Trend auf. Große Marken wie KFC, Ikea oder auch Dove produzierten ASMR-Werbespots. Mittlerweile ist ASMR der drittbeliebteste Suchbegriff auf YouTube. Einer der bekanntesten ASMR-Kanäle ist dort Gentle Whispering, der von der ASMR-Künstlerin Maria Viktorovna betrieben wird und von über zwei Millionen Abonnenten verfolgt wird. Bisher hat sie weit über 500 Videos online gestellt.

Wer nutzt ASMR?

Rund 50 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer sind zwischen 18 und 24 Jahren alt. Videos mit ASMR-Inhalten werden dabei sowohl von Frauen als auch von Männern gerne angesehen, wie aus internen Daten von Google hervorgeht. Spannend ist dabei, dass ein Großteil der ASMR-Nutzenden  – nämlich 77 % – auch an den Themenbereichen Fitness und Beauty interessiert sind.

ASMR in der Wissenschaft

ASMR ist derzeit Gegenstand der Forschung, wiewohl es noch sehr wenige valide Daten zu dem Thema gibt. So ist beispielsweise Dr. Giulia Poerio, Dozentin für Psychologie an der Universität von Essex, eine der weltweit führenden Wissenschaftlerinnen, die sich mit ASMR beschäftigen. Eine Hürde, vor der die Forschung zum Thema steht, ist die Tatsache, dass nicht alle Menschen mit Tingles auf Trigger reagieren. Forschende beschreiben, dass es eine Herausforderung darstellt, finanzielle Mittel für die Erforschung eines Phänomens zu generieren, das für viele Menschen schlicht wie Einbildung wirkt.

Wieso funktioniert ASMR bei mir nicht?

Falls Sie sich bereits ein Video zum Thema angesehen bzw. angehört und dabei keinen besonderen Effekt festgestellt haben, sind Sie damit nicht alleine. Denn ASMR wird nicht von allen Menschen erlebt. Schätzungsweise können rund 20 Prozent der Bevölkerung ASMR-Gefühle erleben. Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler argumentieren, dass es deshalb schwierig ist, das Themengebiet wissenschaftlich zu erforschen, auch wenn es derzeit immer wieder versucht wird. Ein Grund dafür, dass manche Menschen die entsprechenden Empfindungen erleben und andere nicht, könnte laut aktuellem Wissensstand auch daran liegen, dass es bei Menschen neurologische Unterschiede gibt. Agnieszka Janik McErlean und Michael J. Banissy fanden in Untersuchungen heraus, dass Menschen, die auf ASMR reagieren, sich im Vergleich zur restlichen Bevölkerung in bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen unterscheiden: Bei den Punkten Offenheit für Erfahrungen und Gewissenhaftigkeit sowie Fantasie und Empathische Anteilnahme erzielen sie höhere Werte als Menschen, die nicht auf ASMR reagieren.

Das passiert bei ASMR

Einige Forschende vermuten, dass sich ASMR Empfindungen mit der Ton-Berührung-Synästhesie vergleichen lassen. Dieses Phänomen beschreibt, dass bei manchen Menschen bestimmte Klänge  oder Abfolgen von Tönen z. B. eine haptische Empfindung oder einen Geschmacksreiz auslösen können. Aber wie genau fühlt sich ASMR nun an? Sam Parker beschreibt das Gefühl im Guardian etwa so: „Nach einem anstrengenden Nachmittag (…) versammelte uns unsere Lehrerin auf dem Teppich im Klassenzimmer, um uns eine Geschichte vorzulesen. Sie begann, mit leiser Stimme, gerade etwas lauter als Flüstern, zu erzählen. Plötzlich verspürte ich ein kribbelndes Gefühl, das vom Scheitel bis in den Nacken und den Rücken wanderte. Je mehr sie las, desto stärker wurde das Gefühl.“

So oder so ähnlich klingen die Beschreibungen von Menschen, die den Tingles-Effekt erleben. Dabei ist dieses Phänomen nicht mit der angenehmen Gänsehaut zu verwechseln, die viele Menschen bekommen, wenn sie beispielsweise schöne Klänge oder bewegende Musik hören. In diesem Fall spricht man nämlich von sogenannten physisch induzierten „Chills“. Im Gegensatz zu den Empfindungen, die ASMR-Responder beschreiben, dauern diese Chills nur kurz an. ASMR-Empfindungen können hingegen während der gesamten Dauer des Triggers anhalten. Während die klassische Gänsehaut auch eher mit einem Gefühl der Aufregung einhergeht, wird das ASMR-Kribbeln durchwegs als entspannend beschrieben. Übrigens: Auch die Chills sind derzeit Gegenstand der Forschung. Am Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik wird beispielsweise gerade untersucht, was im Körper und im Gehirn passiert, wenn wir bei einem ergreifenden Musikstück oder einem bewegenden Gedicht Gänsehaut bekommen.

Auslöser für ASMR

Das angenehme und entspannende Kribbeln kann durch folgende Reize ausgelöst werden:

Akustische Reize Darunter fallen bestimmte Klänge, wie ruhige Stimmen, das Aneinanderreiben von Händen, Kratzen oder leises Flüstern.
Visuelle Reize Bestimmte Bilder oder Anblicke gelten genauso als visuelle Reize, die ASMR auslösen können, wie auch das Beobachten von sanften Bewegungen, wie etwa, wenn Farbe sorgfältig zusammengemischt wird.
Taktile Reize Auch taktile oder haptische Reize wie sanfte Berührungen am Kopf, etwa durch sanftes Frisieren mit einer Bürste, oder das Streichen mit Fingern über den Rücken gelten als ASMR Auslöser.

Nicht alle Reize scheinen sich dabei gleich gut für das ASMR-Erlebnis zu eignen. In einer Untersuchung wurden Nutzende von ASMR-Videos nach häufig verwendeten Auslösern gefragt. Sie konnten dabei angeben, ob ein Reiz keine Wirkung erzielt, sich unangenehm anfühlt, eine leichte oder eine starke Wirkung erzielt. Die Untersuchung kam zum Ergebnis, dass die folgenden Auslöser am häufigsten verwendet werden:

  1. Flüstern (54,2 %)
  2. Fingerklopfen (53 %)
  3. Haare bürsten (49,4 %)

Über ein Viertel der Befragten ASMR-Responder gab allerdings auch an, dass sie das Geräusch von essenden Menschen als einen starken Auslöser für Unbehaglichkeit oder unangenehme Empfindungen erleben.

Auswirkungen von ASMR

ASMR-Videos haben das Ziel, die in der Tabelle genannten Reize anzuregen. Wie weiter oben erwähnt, reagieren jedoch nicht alle Menschen gleich auf die Auslöser. Unterteilt werden die Erfahrungen in:

Menschen, die ASMR eine positive Wirkung bescheinigen, nutzen entsprechende Videos vor allem, um zu entspannen oder sehen die Videos als guten Tipp zum Schlafen: Interne Google-Daten zeigen, dass „ASMR schlafen“ zu den am häufigsten eingegebenen verwandten Suchbegriffen gehört. Spannend ist, dass Untersuchungen belegen, dass ASMR nicht nur ein Gefühl ist, sondern tatsächlich auch körperliche Auswirkungen bei Menschen zu beobachten sind, die als ASMR-Responder gelten. Während Menschen, die ASMR nicht verspüren, keine auffälligen Reaktionen auf Tingles zeigen, wirkt sich ASMR bei Respondern sowohl auf die Herzfrequenz als auch auf die Hautleitfähigkeit aus: Die Frequenz des Herzschlages sinkt bei ASMR und die Hautleitfähigkeit wird erhöht.

Es gibt aber auch subjektive Auswirkungen von ASMR. Diese lassen sich aus den Motivationen ableiten, die Menschen beschreiben, welche ASMR-auslösende Videos konsumieren. Zu den stärksten Motiven gehören:

  1. Entspannen (85,5 %)
  2. Einschlafhilfe (41 %)
  3. Angst reduzieren (10,8 %)

Kann man unempfindlich gegen ASMR werden?

Es scheint, als würden ASMR-Responder bei häufiger Nutzung von ASMR auslösenden Reizen eine Immunität gegen die Tingles entwickeln können. Die Wirkung der ASMR-Reize lässt also mit der Zeit nach. Es kann sein, dass man beispielsweise wochenlang auf bestimmte ASMR-Reize reagiert, bevor die Wirkung nachlässt und zum Teil gar nicht mehr eintritt. Die Forschung vermutet hinter dieser ASMR-Immunität das klassische Phänomen der Gewöhnung bzw. Toleranz, die auch durch die Überfülle an Reizen aufgrund der zahlreichen YouTube-Videos zu erklären ist. Während vor dem ASMR-Boom Tingles auslösende Situationen und Erlebnisse eher unerwartet, dosiert und selten von Respondern erlebt wurden, können Reize durch die Videoplattform heute unendlich oft ausgelöst werden, wodurch diese Form der Gewöhnung entstehen kann.

Quellen:

Servicestelle Kinder- und Jugendschutz, ASMR – Urlaub fürs Gehirn, (abgerufen am 08.06.2022)

Think with Google,  ASMR – von diesem YouTube-Phänomen haben Sie bestimmt noch nie gehört, (abgerufen am 08.06.2022)

Research Gate, Assessing Individual Variation in Personality and Empathy Traits in Self-Reported Autonomous Sensory Meridian Response (2017) (abgerufen am 08.06.2022)

The Guardian, Good vibrations: tapping in to the benefits of ASMR (2021), (abgerufen am 08.06.2022)

National Library of Medicine, More than a feeling (2018) (abgerufen am 08.06.2022)

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