Beim suggestopädischen Seminar rund um die Arzneimittelbilder von 50 verschiedenen homöopathischen Einzelmitteln wird vor allem eines: herzhaft gelacht. Dass das wohl eine der großartigsten Methoden ist, um nachhaltig zu lernen, zeigte sich gerade wieder in Wien. Eine Reportage.
„Hilfe, Hilfe! Da ist einer in Ohnmacht gefallen!“, gellt es durch den Raum. Am Boden liegt eine blaue Gummipuppe und Frau Dr. Susanne Diez scheint ob der Leblosigkeit des in sich zusammengefallenen Plastikmenschen in höchster Aufregung. Sie wuselt aufgeregt rufend um den Patienten herum und auch Dr. Leopold Drexler sowie Dr. Bernhard Schmid wirken überaus alarmiert!
Nein, das hier ist kein Erste-Hilfe-Kurs, sondern ein „Homöopathisches Theaterstück der wissenschaftlichen Meisterklasse“, wie es Mag. Anna Rath aus der Apotheke zum Schwarzen Adler treffend auf den Punkt bringt. Sie ist zum ersten Mal bei einem der legendären Suggestopädischen Homöopathie-Seminare, welche von den drei Homöopathen Dr. Susanne Diez, Dr. Leopold Drexler und Dr. Bernhard Schmid seit dem Jahr 1999 in dieser Formation abgehalten werden. Anna Rath gehört zu den wenigen Apothekerinnen, die zum ersten Mal mit dabei sind. Fast alle der 25 Teilnehmer sind schon zum zweiten oder dritten Mal mit dabei, und jetzt versteht sie auch warum: „Als ich den Seminarraum betreten und einen Sesselkreis statt eines klassischen Seminar-Settings gesehen habe, dachte ich mir zuerst ,Oh mein Gott‘, aber die Vortragenden sind so großartig, dass ich es jetzt nur mehr super finde. Sie haben sich hier wirklich etwas überlegt, absolut modernes Storytelling. Die Geschichten bleiben extrem in Erinnerung. Und ich finde es toll, dass die drei auch Beispiele aus ihrer eigenen Praxis bringen.“
Die Begeisterung, die in den Ausführungen der Apothekerin mitschwingt, ist auch an den Gesichtern der anderen Teilnehmer abzulesen. Und das liegt nicht zuletzt an der offensichtlichen Leidenschaft, mit der die drei Ärzte die Arzneimittelbilder von 50 homöopathischen Arzneien näherbringen. Dass die suggestopädische Lehrmethode den Teilnehmern dabei nicht nur unfassbar viel Spaß macht, sondern darüber hinaus noch nachhaltig und effektiv ist, zeigt sich bei der zusammenfassenden Wiederholung am Ende des ersten Tages dieses Wochenendseminars. Mühelos erinnern sich alle bei der interaktiven Wiederholungsübung an die Symptome und die dazugehörigen Einzelmittel. Dass der blaue, ohnmächtige Patient, der eigentlich keine Hilfe will und sich kalt anfühlt, Camphora benötigen würde, ist nach der gelungenen Vorstellung von Frau Dr. Diez jedem noch sehr präsent im Gedächtnis. Durch die herrlich überzeichneten Darstellungen der drei Vortragenden bleiben dann auch die weniger drastischen – und realistischeren – Symptome außergewöhnlich gut in Erinnerung. „Camphora“ wird wohl der erste Gedanke aller Teilnehmer sein, wenn in der Apotheke ein homöopathisches Mittel für einen Patienten gewünscht wird, der über Schlappheit klagt, zu Krämpfen neigt, sich dabei kalt anfühlt und beispielsweise blaue Lippen aufweist. enau diese raschen Assoziationen in der Apotheker-Praxis findet Dr. Drexler besonders wichtig: „Viele Patienten und Angehörige, die auf der Suche nach einem homöopathischen Arzneimittel sind, kommen zuerst zu euch in die Apotheke. Darum sind diese Kurse gerade für Apotheker so relevant.“
Der in Feldkirch arbeitende homöopathische Arzt Dr. Drexler war es auch, der die suggestopädische Lehrmethode, die von dem bulgarischen Pädagogen Georgi Losanow entwickelt wurde, auf das Lernen in der Homöopathie übertragen hat: „Die Methode, die eigentlich aus der Vermittlung von Sprachen kommt, geht davon aus, dass sich alle sieben Minuten etwas ändern muss, damit wir Menschen aufmerksam bleiben können. Darum besteht das Suggestopädie-Seminar aus verschiedenen Elementen: Musik, sozialer Interaktion, Sehen, Fühlen und auch Bewegung. Es geht um Abwechslung, und daher ist es auch wichtig, dass wir drei Vortragenden auf unterschiedliche Art miteinander und mit den Teilnehmern agieren.“
Dass die drei Homöopathen ein eingespieltes Team in ihren Seminaren sind, die in Wien von der Dr. Peithner KG, dem führenden Arzneimittelhersteller auf dem Gebiet der Homöopathie, angeboten werden, kommt nicht von ungefähr: „Wir arbeiten bereits seit knapp 30 Jahren zusammen. Begonnen hat unsere gemeinsame Vortragstätigkeit in Tschechien, wo wir für die Dr. Peithner KG Homöopathie-Kurse abgehalten haben“, so Drexler. „Es ist unsere Freude an der Kommunikation und der Vermittlung von praxisnahem Wissen, die uns verbindet“, wirft Dr. Schmid ein, der seine homöopathische Praxis im Waldviertel betreibt.
In der Zwischenzeit reiben sich die Teilnehmer die Nase. Denn es geht in den Seminaren auch darum, ein Gefühl für die beschriebenen Symptome zu erhalten. So stellt es nach zwei Tagen schallendem Lachen, interaktivem Agieren und Lernen auch für niemanden mehr ein Problem dar, sich Taschentuch-Kügelchen in die Nase zu stecken, um das Symptom der trockenen Nase in Erinnerung zu behalten. Wobei: Das mitgebrachte Juckpulver will und muss dann keiner mehr am eigenen Leib ausprobieren, aber die nun alle erheiternden Geschichten aus der Kindheit, in der so gut wie jeder aus Hagebutten Juckpulver hergestellt hat, sorgen trotzdem dafür, dass beim Patienten, der juckende Symptome beklagt, in Zukunft alle an Arundo denken müssen.
„Man kann hier nicht nicht mitmachen“, hat die in Wien arbeitende Homöopathin Dr. Susanne Diez schon zu Beginn versprochen, und sie behält recht. Es macht einfach viel zu viel Spaß, sich von der heiteren und wissensdurstigen Gruppendynamik anstecken zu lassen. Die Leidenschaft, mit der die Vortragenden drei Tage lang bei der Sache sind, steckt einfach an, lässt nicht mehr los und vermittelt die Arzneimittelbilder auf unnachahmliche Art und Weise. Als Dr. Schmid, der sich ein blaues Auge geschminkt hat, mit lautem Gepolter plötzlich einen Sessel umwirft, mit einem Bier in der Hosentasche eine Wirtshausschlägerei androht, um die Charakteristik des Ledum-Patienten lebhaft darzustellen, sind alle plötzlich wieder hellwach. Ja, die Vortragenden nehmen die suggestopädische Herangehensweise, bei der es um spielerisches Lernen mit viel Lockerheit und Lachen geht, wirklich wörtlich. Am Ende des Tages dürfen noch köstliche Zuckerl aus einer Wiener Bonbonherstellung verspeist werden, um den süßen Geschmack, der den Phellandrium-Patient beschreibt, in Erinnerung zu behalten. Und es sind gerade diese subjektiven Erfahrungen, welche die drei Vortragenden für so wichtig erachten. Denn, so Drexler: „In der klassischen Medizin geht es darum, Subjektives so gut als möglich zugunsten von Objektivem auszublenden, während wir in der Homöopathie den umgekehrten Weg gehen. Also hin zu den subjektiven Empfindungen der Patienten, die uns Aufschluss über die passenden Arzneimittel geben.“ Am Ende des Seminars werden von den Teilnehmern noch einprägsame Gedichte zur Wiederholung der Mittel verfasst: „Camphora liegt allein, kalt und auch schon blau auf der Agora. Die Hilfe, die er nicht wollt’ und der er grollt’, ihn doch zurück ins Leben holt’.“ Kein Wunder also, dass man nach einem Lehrseminar die Teilnehmer selten so gelöst, locker und lächelnd von Dannen ziehen sieht.
Nächstes Suggestopädie-Seminar in Wien:
50 Homöopathische Arzneimittel, 4.–6. Oktober 2019
Infos über: seminare@schwabe.at, oder Telefonnummer: 01/616 26 44-78
Frühbucherpreis: 635 Euro, Approbiert im Ausmaß von 17 Stunden